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  • 18.11.2025

    Über das Küchenleben

    Der klassische Koch beginnt sein Leben bestenfalls 5 Minuten vor Schichtbeginn umgezogen in der Küche.

    In den allermeisten Fällen gelingt dies über einen längeren Zeitraum nur den Getriebenen, es treibt oder zieht sie zu den Sternen, oder vielleicht war die Getriebenheit auch schon vor dem Ziel da, und der Wunsch sich als Sternekoch um Herz und Verstand zu bringen wurde nachträglich hinzugefügt, weil er eben zufällig eh sehr bruchlos zum ohnehin vorhanden Habitus passte.

    Die Nicht-Ganz-So-Getriebenen werden in aller Regel nach wenigen Wochen in Lehre oder Überstunden etwas nachlässiger was Pünktlichkeit oder akkurate Berufskleidung angeht und erscheinen entweder mit minutenlangem Verzug oder in den gleichen Klamotten, wie am Tag oder der ganzen Woche zuvor, Spuren des letzten Unfalles mit Pürierstab und Tomatensauce als stumm dem Arbeitsalltag in der Küche zeugende Abzeichen am Revers. Andere über die Zeitspanne der Arbeitswoche oder des Monats oder Lebens (diese Grenzen verschwimmen im immerwährenden, gnadenlosen Küchenbeat, zum täglichen und nächtlichen, auch am Wochenende nicht schweigenden Imperativ der Bonmaschine tanzend) mögliche Accessoires sind dreckige und verkohlte Touchons, fehlende Knöpfe, Schnitt- und Brandverletzungen und in jedem Fall immer größer werdende Augenringe.

    Einer der für mich einprägsamsten Vertreter dieser Art von Köchen bin ich in meinem dritten Lehrjahr in einer Hotelküche begegnet: er trug stets in seiner laufenden Arbeitswoche die immergleiche schwarze Arbeitshose, und da er die Angewohnheit hatte, seine schmutzigen Hände mit der Fläche am Po selbiger, den Gesäßtaschen, abzuwischen, zeugte eine täglich größer werdende, farbenfrohe Kruste aus allerlei verschiedenen Lebensmitteln auf seinem Allerwertesten davon, wie weit sein nächster freier Tag noch entfernt sein mochte.

    Es ist retrospektiv nicht zu bestreiten, dass sekundäre Tugenden wie Sauberkeit, Pünktlichkeit und Zurechnungsfähigkeit in den allermeisten Fällen meiner ehemaligen Kolleg*innen auch Aufschluss über die Genauigkeit und Qualität ihrer Kochkünste zu geben vermochten.

    Sowohl meine erste Küchenchefin als auch alle darauf folgenden Küchen- und Souschefs waren ordentliche und disziplinierte Kunsthandwerker mit vortrefflicher Geschmackssicherheit, Liebe fürs Detail und überschaubarem bis nicht vorhandenem Privatleben.